Ich hatte eine unglaublich schöne aber auch kurze Zeit im Iran und weitere Reise war schon eine beschlossene Sache. Ich überquerte nun die armenische Grenze und damit ein für mich neues Land. Wie auch schon die Grenzen zuvor, geschah es in der Nacht und ich hatte arge Probleme einen geeigneten Zeltplatz im dunkeln zu finden. Am Grenzübergang fand ich dann ein kleines Gasthaus und ließ mich dort nieder. Schon von dort aus sah ich eine atemberaubende Berglandschaft und konnte es gar nicht fassen dass ich dieses Panorama bereisen werde.

Ich fuhr mit dem Fahrrad los und nach wenigen Stunden ging es dann bergauf und es sollte nicht mehr aufhören. Ich erreichte die Stadt Meghri die umringt von Bergen auf einer Anhöhe gebaut war. Die ganze Stadt wurde quasi bergauf gebaut und trotzdem beharrte ich noch auf meine naive Hoffnung dass es auch bergab gehen würde, vergebens. Der Herbst begann und ich konnte gar nicht fassen wie sich das Land in ein Meer aus Farben verwandelte. Es war für mich der erste Herbst seit langem und ich bewunderte die Pracht der Natur. Die riesigen Berge waren durch und durch mit Wäldern durchzogen, bis zum Gipfel war jeder Berg eine einmalige Schönheit.
Ich zeltete viele Male und wurde immer wieder von den Einheimischen eingeladen und neben den armenischen Köstlichkeiten ist auch viel Alkohol geflossen, mehr als ich es im mittleren Osten gewohnt war. So bestand mein tägliches Prozedere aus 25 km bergauf laufen, ich habe das Fahrrad größtenteils schieben müssen und Abends konnte ich mich dann in meinem Zelt entspannen und an einigen Trinkgelage teilnehmen.

Das Fahrrad bereitete mir öfters Probleme und ich hatte fortlaufend mit platten Reifen zu kämpfen. Oftmals schaffte ich es den Reifen zu flicken und da ich mich meistens in den Bergen befand, hatte ich auch keine andere Möglichkeit. Die Städte waren eher klein um nicht zu sagen, sie ähnelten mehr einem Dorf, was die Beschaffung eines neuen Schlauchs erschwerte. Doch ich gab mich zuversichtlich, auch wenn es nur theatralische Zuversicht war um mich zu motivieren, so fand in dennoch immer eine Lösung um mich in jeder schwierigen Situation zu helfen.
Eines Tages befand ich mich zum Sonnenuntergang weitab jeglicher Zivilisation. Die Berge und der Wind waren einige Tage meine einzige Gesellschaft und mehr brauchte ich zu der Zeit auch nicht. Es wurde kälter und ich hatte noch keine vernünftige Jacke und vertraute auf meinen Glauben, der mir während meiner Reise durch Indien bewusst wurde. Den Text dazu findet ihr hier. Von weitem sah ich eine kleine Hütte und meine Erfahrung lehrte mich an Türen zu klopfen um Menschen kennenzulernen und gegebenenfalls eine Schlafmöglichkeit zu bekommen. Die Hütte war fernab der Straße und ich folgte einem kleinen Pfad, erhellt durch die untergehende Sonne. An der Hütte angekommen bemerkte ich das der Riegel von außen zugeschoben war und somit frei zugänglich für Jedermann. Doch meine Manieren pochten darauf dass ich anklopfe und dies tat ich auch. Doch außer dem vorbei zischenden Wind hörte ich nichts und so entriegelte ich die Tür und trat ein. Es war ein winziger Raum mit zwei Betten, einem Tisch und einem Ofen, wobei der Ofen meine volle Aufmerksamkeit bekam, da ich nun in Gedanken in einer warme Nacht schwelgte. Ein bestialischer Gestank stieß mir in die Nase und erst als ich den Ofen öffnete konnte ich den biederen Geruch einordnen. Es stank nach verbrannten Fisch, darauf machten mich die Fischgräten im Ofen aufmerksam, doch schon bald gewöhnte ich mich daran. Ich inspizierte die Betten, was ich lieber hätte lassen sollen. Die Betten bestanden nur aus einem quietschenden Gestell und eine von Rattenkot übersäte Matratze. Meiner Vermutung nach war es gar nicht so lange her dass jemand hier drinne wohnte, doch was sollte in tun? Die Nacht versprach eisig zu werden, dies garantierte mir der Wind. Ich ging raus und beschloss bis nach Sonnenuntergang zu warten. Danach bestand nur noch eine geringe Chance dass jemand zu der Hütte kommt. Ich erkundete die Umgebung und hatte schnell eine schlüssige Theorie. Ich fand vor der Hütte einige Umzäunungen mit Spuren von Hufen. Ich vermutete dass die Hütte als Rastplatz für Schäfer und Herdentreiber diente und somit nicht in Besitz einer Person befindet. Eine Theorie die Sinn ergab und natürlich auch meinem Gewissen als Beruhigung diente. Ich folgte einem kleinen Pfad durch unwegsames Gelände und fand eine Wasserquelle, welche mir natürlich vom Nutzen war. Ich kochte, zündete den Ofen an und erfreute mich einer warmen Nacht, obwohl ich auch immer im Hinterkopf hatte dass jemand unerwartet reinkommen würde. Doch am nächsten Morgen ging die Sonne wieder auf und bescherte mir einen Ausblick der nur Königen vergönnt war.

Ich fuhr an der umkämpften Grenze zu Bergkarabach vorbei und erreichte nach zwei Wochen die Hauptstadt Yerevan. Auf dem Weg sah ich die Spitze des Bergs Ararat, verhüllt im dichten Nebel ließ er sich nicht blicken, doch der Sonnenuntergang entblößte seine Gestalt und der biblische Berg lud mich zum Träumen ein.

In Yerevan besuchte ich das Mahnmal zum Genozid am Volk der Armenier. So überwaltigend der Besuch auch war, so traurig war meine Erfahrung dort. Wie so oft wurde mir vor Auge geführt, wie Grausam Menschen sein können und wie viel Leid Menschen ertragen müssen. Hoffnungen, Liebe und Träume werden gnadenlos ausgelöscht und nur noch die Knochen der Hinterbliebenen bleiben um eine Geschichte zu erzählen welche eine ungehörte Warnung an unsere Gesellschaft ist. Wie viele Mahnmale müssen noch gebaut werden um das Leid der Menschen zu lindern?

Yerevan beschäftigte mich noch eine zeitlang und meine Reise in Richtung Norden ging weiter. Ich begegnete weiterhin so barmherzige Menschen und wurde oft eingeladen und fand Schutz vor der bitteren Kälte die von Nacht zu Nacht zunahm. Morgens lag ein dünner Frostteppich über dem Gras und die Morgensonne brachte die ganze Landschaft zum Schimmern.

Zu guter Letzt fuhr ich abermals über die Berge und erreichte die Grenze zu Georgien.
Das Video zu dieser Tour könnt ihr euch hier ansehen.
