Zu Fuß von Krefeld zur Zugspitze

Tag 1

Ich bin nun endlich in Krefeld gestartet und konnte es zu Beginn nur schwer realisieren dass ich wieder auf dem Weg bin. Ich hatte wieder eine Reise vor mir und das Ziel ist die Zugspitze, nun liegen über 650 Kilometer vor mir. Ich brauche nicht viel. Ich habe meine Landkarte und einen Kompass eingepackt, sowie eine Zahnbürste mit Zahnpasta und eine Kopflampe. Ich habe vor diesen Lauf ohne viel Equipment und ohne Geld zu bewerkstelligen. Meine Sehnsucht liegt darin mir selber zu beweisen dass ich es schaffen kann. Kurz vor meiner Reise, vor vier Jahren, versuchte ich diesen Lauf zum ersten Mal und scheiterte in Mainz. Nun, mit der Erfahrung meiner Reise, habe ich die volle Zuversicht es dieses Mal zu schaffen.
Doch ich bin gut gestartet, trotz des Regens, der mich aber nicht vom Laufen abgehalten hat. Am ersten Tag konnte ich etwas über 60 Kilometer zurücklegen. Ich lief über Neuss und Dormagen und habe Köln in der Nacht durchquert. Bis schließlich meine Beine und auch ich müde wurden. So suchte ich mir in einem Park eine Ecke zum schlafen und wurde drei Stunden später vom Regen geweckt, der mir schon ins Gesicht lief.
Nicht nur der Regen lief mir durchs Gesicht, auch musste ich immer wieder Schnecken entfernen die mir wohl in den Mund kriechen wollten.

Mit dem Hunger geht es bis jetzt, ein nasses Brötchen konnte mein Interesse bis jetzt noch nicht wecken

Tag 2

Der Regen dauert an.

Ich habe kein Problem damit mir eine schöne Ecke im Wald zu suchen um mich dort schlafen zu legen, doch der Regen erschwerte mir meine Ruhepausen und Schlaf.
Ich bin am idyllischen Drachenfelsen vorbei gelaufen und wurde dabei ein wenig von der Sonne verwöhnt. Ich lief am Rhein entlang und kurz bevor ich in Remagen ankam, fing der starke Regen an. Ich rettete mich noch unter eine spärliche Überdachung und versuchte dort auf der Bank zu schlafen, doch der Regen kam durch und ich war komplett durch genässt. Um ein Uhr morgens stand ich dann auf und lief weiter. Der Weg führte durch einen Wald und ich hatte nur meine Taschenlampe mit dabei. Ich war mir nicht sicher ob ich den richtigen Weg genommen hatte, doch konnte dann aufatmen als ich in Bad Breisig ankam.

Dort schlief ich wegen dem Regen erneut unter einer Bushaltestelle.
Ich schaffte trotzdem knapp meine 60 Kilometer und bin somit meinem Ziel 120 Kilometer näher gekommen.

Tag 3

Von Bad Breisig aus ging es über die Berge. Auch hier regnete es den ganzen Tag über und die rutschigen Felsen erschwerten meinen Weg. Doch so anstrengend es war, so schön war der Ausblick. So führte mich mein Weg durch weite Felder und Wiesen und bescherte mir Birnen, Äpfel und auch Kartoffeln, die ich bei nächster Gelegenheit kochen wollte.

Nach nur 34 Kilometer war in Kobern Gondorf Schluss für mich und ich versuchte mich trocken zu legen. Die Nacht musste ich schon in Kobern Gondorf verbringen da es wieder weiter über die Berge ging und ich lieber bei Tageslicht laufe.
Meine Sachen waren komplett nass und ich schlief mit einem beklemmenden Gefühl.

Tag 4

Mit Kobern Gondorf habe ich ein kleines romantisches Dorf an der Mosel entdeckt und bin fasziniert durch die Altstadt gelaufen.
Doch nun sollte es wieder an den Rhein gehen und so bin ich quer über die Felder bis nach Boppard gelaufen. Von dort aus durfte ich am Rhein entlang gehen und habe den Fluss von seiner schönsten Seite gesehen.
Die Dörfer und die Burgen, hoch in den Bergen, machen die Region malerisch und teilweise vergaß ich meinen Lauf und schaute nur staunend umher.
In Sankt Goar legte ich eine Pause ein um dann nachts bis nach Bingen weiter zu laufen. Ich hatte Glück. Ein Fußgängerweg führte bis nach Bingen und ich musste teilweise nur gerade aus laufen. In der Nacht konnte ich mir leider nicht die Landschaft ansehen, doch ich habe mir versprochen hierhin zurück zu kommen. Doch erst musste ich diesen Lauf bewältigen. Inzwischen fand ich auch genug Früchte um meinen Tag bestreiten zu können. Äpfle, Birnen, Pflaumen, alles wuchs auf meinem Weg und ich hatte stets prall gefüllte Taschen. Es schien als sollte mir es an nichts fehlen. Ich lernte noch dass ich meine Früchte aufschneiden musste, da sich hin und wieder ein heimlicher Gast in so mancher Frucht versteckte.

Tag 6

In Bingen ruhte ich mich aus und versuchte ein wenig zu schlafen bevor ich meinen Weg fortsetzte.

Dieses Mal verließ ich den Rhein und folgte dem Weg über die Felder und Weinberge bis nach Alzey und Worms.
Proviant fand ich überall und musste mir ums Essen keine Sorgen machen.

Schließlich erreichte ich erschöpft, erst Worms und dann Mannheim. Ich kam sehr schnell voran und war auch selber überrascht, doch das tagelange Laufen ohne große Pausen bekam ich nun zu spüren. Die Fersen, der Rücken und die Füße machten sich schmerzlich bemerkbar. Schon zu Beginn des Laufes, fand ich eine Halbliterflasche die ich stets mit frischem Wasser befüllte, zusammen mit dem Obst, welches ich unterwegs unentwegt einsammelte, bekam der kleine Beute mehr und mehr Gewicht. Der Beutel tat meinem Rücken mit seinem Gewicht nicht gut und ich bekam ständig Rückenschmerzen. Hinsetzen und aufstehen tat weh und bald konnte ich auch nicht mehr richtig laufen. Ich musste mir etwas einfallen lassen, um den Rücken zu entlasten. Ich wollte noch zwei Tage alles geben um mehr Kilometer geschafft zu bekommen und danach wieder weniger.
Der Weg war nicht mehr weit

Tag 8

Die Grenzen meines Körpers

Ich dachte gerne an die Tage in Rheinland Pfalz zurück als ich noch unbeschwert über die Weinberge spazierte und mir munter ausrechnete wann ich ankommen werde.

Doch das Blatt wendete sich schnell. Meine Beine und Füße rebellierten und es fühlt sich an als würde ich mit jedem Schritt auf ein Nadelkissen treten.
Zudem raubten mir die kalten Nächte die Kraft und die heißen Tage brachten mich an meine Grenzen. Ich sah mich dazu gezwungen meine Jacke tagsüber anzuziehen damit ich mich nicht verbrenne. Ich überlegte auch wieder Nachts durch zu laufen um mich warm zu halten und schneller vorwärts zu kommen. Doch mit jeder Pause und jedem Schritt wurde es schlimmer, so dass ich schon daran zweifelte die Zugspitze überhaupt besteigen zu können.

Ich hatte Glück dass mich mein guter Freund Rino aus Belgien besuchte, ich hatte ihn zwei Jahre vorher in Georgien kennengelernt. Seine Gesellschaft konnte mich etwas motivieren.

Tag 10

Nach fast 640 Kilometer, erblickte ich zum ersten Mal die Alpen am Horizont.                              

Ein wahnsinnig schönes Gefühl, was mich all meinen Schmerz in dem Augenblick vergessen ließ. Ich konnte sogar den Gipfel der Zugspitze erkennen und brannte nun natürlich darauf endlich anzukommen.
Das Gefühl die Zugspitze bald zu erreichen motivierte mich ungemein und so flog ich fast meinem Ziel entgegen. Ich lernte nun das Allgäu kennen und mich faszinierten die so freundlichen Menschen welche mich jeden Tag so herzlich grüßten, einem armen Wanderer auf dem Weg zu seinem Berg. Das Gras grünte überall und das klare Wasser der Bäche lud zum Trinken ein. Ja, es ist einer der schönsten Gegenden, die ich je bereisen durfte und das in Deutschland. Trotzdem musste ich auf der Hut sein. Im Süden musste ich auf Schlangen und Zecken Acht geben und nachts somit nicht mehr im Gras schlafen.

Tag 11

Ich habe nun Garmisch-Partenkirchen erreicht. Die Stadt an der Zugspitze. Die Nacht zuvor schlief ich in Oberau auf einem weiten Feld und hatte eine wunderbare Sicht auf die Sterne. Ich kam wieder dort an wo ich sein wollte. Ich brauchte nicht viel zum Leben und um Glücklich zu sein, es war alles da was ich brauchte. Ich erinnerte mich an das Leben während ich viel reiste und fühlte mich seelig dabei. Mein Ziel, die Zugspitze, war nun zum greifen nah und die letzte Nacht in Garmisch-Partenkirchen verbrachte ich auf einer Bank vor der Zugspitze und nutzte die Sterne erneut als Brücke zu meinen Träumen.

Tag 12

Vor drei Jahren lernte ich Linus in der Türkei kennen. Er war mit seinem Fahrrad unterwegs und durchquerte den Kaukasus und den Orient. Wir waren immer wieder im Kontakt. Ein paar Tage zuvor meldete er sich und bot sich an mich nach oben zur Zugspitze zu begleiten. Als erfahrener Bergsteiger konnte ich mich blind auf sein Urteilsvermögen verlassen. Zudem war er ein sehr angenehmer Weggefährte und dies motivierte mich noch mehr. Er brachte noch Tamara mit und zu dritt brachen wir morgens auf und durchquerten als erstes die berühmte Schlucht Partnachklamm.

Der Fluss, die Partnach, schoss wild durch die Schlucht und unser Start wurde zu einem einzigartigen Spektakel. Wir nutzten den einfachsten Weg zum Gipfel, das Reintal. Dieser Wanderpfad führte über den Süden der Zugspitze hoch, was aber nicht die Härte des Weges herabspielen soll. Schwer und steil war der Weg allemal. Wir folgten der Partnach bis zu ihrer Urquelle, die wie flüssiges Gold aus dem Berg schoss. Wir füllten unsere Flaschen damit und setzten den weg fort, der immer steiler wurde. Immer wieder musste ich pausieren, die Luft zum atmen wurde immer dünner und der Weg steiler. Der Weg wurde ein einziges Hinderniss und war fast nicht mehr begehbar. Auf dem Weg löste sich von oben ein Stein, rollte runter und flog knapp an uns vorbei. Das letzte Stück krochen wir fast auf alle Vieren hoch, so steil wurde es. Der winzige Kies unter unseren Füßen liess uns immer wieder zurückfallen, doch wir kämpften uns hoch. Zuletzt ging es darum den nackten Felsen der Zugspitze zu erklimmen. Dicke Drahtseile halfen uns dabei und schließlich gewannen wir die Oberhand und Stiegen hinauf auf den Gipfel.

Nie fühlte ich mich freier als in diesem Moment. Es war Geschafft. Ich lief von Krefeld aus zur Zugspitze ohne Geld und Verpflegung und hatte erreicht woran ich vier Jahre zuvor gescheitert war. Auf dem Weg lernten wir noch ein indisches Pärchen kennen. Alle zusammen halfen mir mein Ziel zu erreichen und meine Dankbarkeit kannte keine Grenzen. Was braucht der Mensch um seine Ziele zu erreichen und um Erfahrungen zu sammeln….?! Diese Frage beantwortete ich mir in diesen 12 Tagen.